SchirndingEs ist wohl eine der nettesten Ecken rund um Schirnding, das Menzlohtal. Ein Rundweg – der Walter-Sebert-Wanderweg – führt nahe der Anschlussstelle der Bundesstraße 303 am Menzlohbach entlang weiter in Richtung Raithenbach. Die Trasse führt durch mehrere bereits geschützte Landschaftsbestandteile. Ergänzend dazu bereichert das Projekt „Wildnisgarten Menzloh“ nun das Angebot für die Schirndinger, Hohenberger und natürlich auch Gäste in idealer Form. Hier ist ein Treffpunkt entstanden, hier kann man sich in der Natur erholen, und hier wird viel für den Naturschutz getan. In der jüngsten Sitzung des Schirndinger Gemeinderatesstellte Brigitte Möckel-Selhorst, Leiterin der Grundschule Schirnding-Hohenberg, das Projekt vor.
Sechs Organisationen tragen es: die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Schirnding, die Grundschule Schirnding-Hohenberg, der Obst- und Gartenbauverein Schirnding, die Ökologische Bildungsstätte Hohenberg (ÖBI), die Schäferei Frank in Schirnding und Nadine Heintel vom Projekt „Naturwiese“, die dort Tage in der Natur veranstaltet. Das ehemalige Schrebergarten-Gelände an dem Wanderweg gehört der evangelischen Gemeinde. Bis in die 1980er- Jahre gab es 25 Schrebergärten, die die Besitzer nach und nach verließen. Nur ein Lehr- und Schaugarten und eine Streuobstwiese blieben übrig.
Um das Gelände vor dem Verfall zu retten, hat der Obst- und Gartenbauverein in den vergangenen 25 Jahren mit Konfirmanden und Kommunionkindern etwa 50 Obstbäume gepflanzt und so eine Streuobstwiese geschaffen. Seit dem Jahr 2020 fand sich eine Gruppe Gleichgesinnter zusammen mit dem Ziel, das Gelände wiederzubeleben. Die Ziele, so Möckel-Selhorst: „Der Wildnisgarten soll ein Ort werden, der unmittelbar Gemeinschaft, gemeinsames Wissen und Eingebundenheit in die Natur erleben lässt und den Bedürfnissen vieler unterschiedlicher Gruppen entgegenkommt – ein Projektort für Gruppen aller Art, ein Ort, an dem Schöpfung erlebt und Glauben gelebt werden kann, ein Lernort für Natur und Umwelt, wo die Streuobstwiese als artenreiche Kulturlandschaft gepflegt und erhalten wird.“
Die Gruppe startete 2020 mit einer Bestandsaufnahme, plante erste Schritte und suchte nach Sponsoren und Fördergeldern. 2021 entrümpelten die Helfer als Aktion mit Familien aus Hohenberg und Schirnding das Gelände und machten es begehbar.
2022 baute sie den Weidezaun – und die ersten Schafe konnten dort nun weiden. Im vergangenen Jahr bauten die Schirndinger einen befestigten Weg durch den Wildnisgarten und legten zwei befestigte Terrassen für Veranstaltungen an. In diesem Jahr folgten eine Komposttoilette, der Druck eines Werbeflyers und die Bewerbung um den bayerischen Biodiversitätspreis. „Wir haben gute Chancen, den zu kriegen“, sagte Möckel-Selhorst.
Von der evangelischen Landeskirche erhielten das Projekt etwa 12 000 Euro für Wegebau, Toilette, Workshops, Bepflanzung Nachgarten, Schilder, Baumaterialien. Eine ähnliche Summe für den Zaunbau, die Anlage von Wegen und die Befestigung von zwei Terrassen für Veranstaltungen kamen von Programm Integrierte Ländliche Entwicklung (ILE). „Für weitere Spenden sind wir selbstverständlich dankbar.“
Genutzt haben den Wildnisgarten bisher die Kirche für ökumenischen Veranstaltungen wie Osterfeuer, Erntedankfest, Waldweihnacht, Taufen, Aktionen und Projekte für Konfirmanden und Kommunionkinder. „Das waren oft schon 40 Leute.“ Der Obst- und Gartenbauverein erhielt und pflegte die Streuobstwiese, den Schau- und Lehrgarten und veranstaltete Baumschnittkurse. Und die Schule lud ihre Kinder ein ins Grüne Klassenzimmer oder zu Projekten wie Wildkräutersammlung oder der Apfelernte: „220 Kilo waren die ordentliche Bilanz.“ Die Schäferei pflegt mit ihren Schafen die Streuobstwiese und macht ihre Aktionen, die Bildungsstätte lädt zu Projekten für Schulen und Gruppe. Nadine Heindl lässt Sitzmöbel und Sitzkissen bauen. Es gibt Kunstprojekte mit Annette Hähnlein, die Schule hat hier ihr Grünes Klassenzimmer, und „Naturweise“ bietet Werkeltage für Kinder, Ferienangebote und Naturtage für Erwachsene.
Möckel-Selhorst listete die Nutzungsmöglichkeiten auf: Rastmöglichkeit für Wanderer mit einer Jurte und Komposttoilette, Freizeit- und Erholungsort für Kindergeburtstage, Feiern oder einfach zur Obsternte, Teambuildingmaßnahmen, Freizeiten oder Feiern von Gruppen, Vereinen und Firmen, Führungen und Naturprojekte für andere Schulen („Kinder lieben das“), Abenteuerspielplatz für Kinder und Jugendliche, Seniorenkaffee, Lehr- und Info-Veranstaltungen sowie Führungen für Naturliebhaber. Vor kurzem hat es hier ein Osterfeuer gegeben – und am 2. Mai wird zum nächsten Feierabend-Seidl eingeladen, zu einer Art Stammtisch im Freien.
In Arbeit ist der Bau einer Komposttoilette. Ein Pavillon mit Überdachung soll bald als Witterungsschutz dienen. Die Mitarbeiter des Projekts wollen Hinweistafeln im Ort sowie Schautafeln über die Geschichte des Geländes anbringen, Infotafeln zu jedem Obstbaum, Nist- und Fledermauskästen, Sitzstangen für Greifvögel und ein Insektenhotel bauen, das dann der Imkerverein nutzen kann. „Eine Vision von uns ist ein Streuobstwiesen-Lehrpfad“, sagte Birgitte Möckel-Selhorst.
Sie fasste zusammen: „Das ist ein Vorzeigeprojekt in Sachen Naturschutz und Biodiversität, an dem im Übrigen auch Mitarbeiter der Kirchengemeinde beteiligt sind. Die Zusammenarbeit von Personen und Institutionen ist einzigartig. Weil Veranstaltungen für alle Altersklassen und viele Interessensgruppen angeboten werden, haben beide Gemeinden hier einen naturnahen Ort mit hohem Freizeit-, Lern und Veranstaltungswert.“
Es solle ein Ort der Gemeinschaft und Begegnung sein. Er soll Bedürfnissen nach Bewegung, Gemeinschaft sowie sinnlichen und sinnhaften Erlebnissen dienen, der Forschergeist, die Kreativität und die Verbundenheit können wachsen. Nicht zuletzt junge Familien würden durch das Projekt angesprochen. „Wir schaffen einen neuen Ort der Begegnung für Jung und Alt für Schirnding und Hohenberg und wollen dieses kleine Ökotop erhalten, pflegen und erweitern und als naturnahen Lern- und Erlebnisort ausbauen, um einen wertschätzenden Umgang mit Natur und Umwelt anzubahnen.“
Uwe Götz, Geschäftsführer des Kreisjugendrings Wunsiedel, nennt den Wildnisgarten ein „zukunftsweisendes Projekt.“ Stefanie Unglaub, Jugendreferentin des Dekanats, sieht „ein großes Potenzial in dem Projekt, da ein hohes Engagement von Personen aus dem Gemeinwesen spür- und erlebbar ist.“ Susanne Bosch von der ÖBI meint: „In Zeiten von zunehmender Digitalisierung ist um so wichtiger, Kindern zur Natur zu ermöglichen und deren Sozial- und Gestaltungskompetenz zu fördern.“ Und Michael Wolf vom Landeskirchenamt München spricht einfach von einem „Leuchtturm-Projekt, von dem viele anderen lernen können“.
Diesen Worten konnte sich Bürgermeister Karin Fleischer nur anschließen und wies darauf hin, dass die Gemeinde den Steg am Wanderweg hat erneuern lassen.
Nach der Projektvorstellung hatte sie mit den Räten nur noch einstimmige Beschlüsse zu fassen: Die Firma Hart Keramik darf ihr Büro erweitern, Felix Kießling das Wohnhaus Arzberger Straße 12 aufstocken und um einen Anbau ergänzen. Ferner bestätigte der Gemeinderat Udo Müller und Florian Seidel als Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr Schirnding.